Teil 9: Die Stärke der Natur und wie kommen wir da blos wieder raus?

Wir kamen an einem Campingplatz vorbei, wo wir ein stabilen Sichtschutz, verstärkt mit Besenstilen fanden. Eigentlich ein Windschutz für den Strand. Wir würden ihn am Balkongeländer befestigen. Der nette Verkäufer schenkte uns die passende Kordel dafür. Super. Das ging ja flott!

Dann also auf nach Noerre Lyngby. Dieser Ort nördlich von Loekken liegt an der Steilküste. Zugänge zum Strand gibt es nur über steile Treppen (solange sie denn stehen und nicht durch Sturm, Unterspülungen, Landwegbruch unbrauchbar werden) oder über die geteerte Straße in der Ortsmitte zum Meer hinunter. 2008 urlaubten wir an diesem Ferienort.

Das hübsche rote Häuschen, das wir damals in Noerre Lyngby bewohnten, stand 2008 gut 25 Meter weg von der vielen Meter hohen Steilküste. Eine grandiose Aussicht war es von da oben auf das Meer. Besonders der Blick von der Haustüre gen Sonnenuntergang über dem Horizont hatte es mir angetan. Diese einmalig Stimmung von "nach Hause kommen", "ankommen", "bei mir selbst sein" fing ich in einem Foto ein. Heute weiß ich: Das wird es so nicht wieder geben. Das Foto ziert den Kalender Auf dem Weg zu mir selbst im Dezember 2018. Hier können Sie es sich anschauen und sogar nach Hause holen.

Neben uns befand sich ein mit dicken Steinen eingefasster alter Friedhof, der gerade bei Nebel, den wir im Februar oft hatten, herrlich mystisch aussah.

Es gab an der Abbruchkannte bizarres zu sehen, wie eine abgebrochene Straße oder diese leeren Hinweisschilder:

Am Strand fanden wir damals Gebäudeteile von Häusern, die sich die Natur von oben runter geholt hatte.

Ein bisschen mulmig war es schon, da oben zu wohnen, wenn es auch noch 25 Meter waren. Neben uns das süße schwarze Häuschen stand bedenklich näher am Abgrund:

Wir waren neugierig: Wie würde es jetzt - neun Jahre später - dort aussehen? Stand das schwarze Häuschen noch? Wie hatte sich die Küste verändert?

2017 standen wir an der Stelle, wo wir einst in unserem roten Haus gewohnt hatten. Das Haus und große Teiles des Grundstückes waren verschwunden! Nur noch Teile des Fundamentes waren zu sehen. Es war wohl abgerissen worden, bevor es hinunter kippen konnte.

Was für ein komisches Gefühl, dass jetzt die Abbruchkante da war, wo wir mal schliefen. Auch der Friedhof war zur Hälfte vom Meer geholt worden. Klar, das kleine schwarze Haus war auch nicht mehr da und weitere, die damals noch auf Fotos zu sehen waren.

In den letzten Jahrzehnten waren viele Hundert Meter Steilküste dem Meer zum Opfer gefallen, damit auch Kirchen, Höfe und viele Ferienhäuser. Jetzt also auch das hübsche rote Holzhaus, in dem wir damals wohnten. Komisches Gefühl.

 

Wir wollten uns die Steilküste unten vom Meer aus anschauen und fuhren - wie auch hier in Noerre Lyngby üblich und erlaubt - mit dem Auto runter zum Strand.

Ich hatte in Touristeninformationen gelesen, dass wir von Noerre Lyngby im Norden bis nach Loekken gen Süden am Strand entlang fahren konnten. Dann würden wir Richtung unseres Ferienhauses fahren und konnten die Strandabschnitte bis Loekken sehen.

Die Strecke führte kilometerlang am türkisfarbenen Meer vorbei.

Auf der anderen Seite die Steilküste. Kaum Menschen, nur ein paar Autos auf dem so breiten, flachen und festen Sandstrand. Es war später Nachmittag, herrlich warm, die Sonne schien, kaum Wind.

Rund 8 km fuhren wir an der scheinbar ewig gleichen Küste entlang bis wir kurz vor Loekken die ersten Bunker passierten. Diese Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg säumen die Nordseeküste in Dänemark. Mal stehen sie am Strand, weil sie von der Steilküste runtergefallen und freigespült wurden, was wirklich keine Augenweide ist, mal sind sie versteckt in den Dünen von Gras und Sand überwachsen.

In Hirtshals ganz im Norden, gibt es sogar ein Bunkermuseum, weil an dieser strategisch wichtigen Stelle wohl sehr viele Betonklötze im Boden liegen. Nördlich von Loekken stehen sie, freigespült, mit Graphiti besprüht und ein wenig unheimlich.

Hier sehen Sie welche rechts im Bild. Die beiden folgenden Fotos stammen von Februar 2008. Ein bisschen verschwinden die Bunker im winterlichen Licht vor der Steilküste:

Auf dem folgenden Foto ist deutlicher zu erkennen, was das für Riesen sind. Positiv ist wohl, dass sie heute dem Schutz der Küste vor der Stärke der Natur dienen.

Im September 2017 auf dem Weg nach Hause passierten wir auch diese Stelle mit den vielen Bunkern am Strand mit dem Auto. Die Breite des Strandes nimmt an dieser Stelle stark ab, ist nur noch wenige Meter breit. Wir waren gezwungen, eine Kurve um die Steilküste zu fahren, um zum Ausgang nach Loekken zu kommen.

 

Der Sand hatte sich an dieser Engstelle durch den Wind aufgetürmt und war nicht so fest und ebenerdig wie das ganze Stück zuvor. Sollten wir weiter fahren und es riskieren oder umkehren? Fünfzehn Minuten waren wir bestimmt am Strand entlang gefahren. Geschätzte 300 Meter hinter der Enge musste die Ausfahrt nach Loekken sein.

Mein Mann fuhr los. Die Reifen verloren den Halt auf dem feinsandigen, sehr trockenen Untergrund, die Reifen drehten leicht durch, das Auto rutschte und kippte etwas Richtung Meer ab. Eine Schrecksekunde, doch wir kamen durch.

Puh, Glück gehabt. Mein Herz pochte. Jetzt nur noch raus.

Wo war denn der Ausgang? Wir sahen große Sandkipper, die für Küstenschutzmaßnahmen Sand von der einen Seite Loekkens zur anderen brachten. Deren Reifen sind so hoch ist, dass gefühlt zwei Menschen übereinander stehen müssten, um die Reifenspitze zu erreichen.

Die Kipper fuhren durch das Meerwasser. Warum fuhren sie nicht näher zur Küste durch den Sand? Wir suchten mit den Augen den Ausgang und sahen dann, dass wir erst einen Fluss passieren mussten und eine Brücke über diesen führte. Wenige Meter weiter war klar: Die Brücke zum Ausgang war gesperrt!

Bestimmt dreizig Zentimeter tief war der Abgrund davor, der Sand war weggebrochen. Das vom Regen ablaufende Wasser hatte einen tiefen Graben in den Untergrund gebuddelt. Da konnten wir nicht drüber fahren. Und nun? (In Noerre Lyngby bei der Strandauffahrt hatte kein Hinweis gestanden, dass die Ausfahrt in Loekken gesperrt ist.)

Sollten wir durch die Wasserkannte fahren wie die Lkw? Das sah gefährlich aus, wir wussten nicht, ob der Boden uns hielt. Ich bin beim Spaziergang an der Wasserkante mal knietief im Sand versunken, weil der kleinsteinige Boden darunter unterspült war.

Wie hoch war das Meerwasser? Wenn es den Unterboden des Autos umspülte war das Salzwasser sicherlich nicht gut für die Karrosserie. Doch eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wir kamen hier nicht raus.

Wir beschlossen zu drehen und wieder zurück nach Noerre Lyngby zu fahren. Das bedeutete, dass wir wieder durch die Sandwehe mussten. Von dieser Seite aus war der Weg darüber etwas steiler und auch feinsandiger, nicht so fest wie auf der anderen Seite. Wir konnten nicht so gut Schwung holen. Oh nein. Würden wir das schaffen?

Lies weiter in Teil 10: Festgefahrene Situation

* * * Bisher erschienen:

Dänemark - eine besondere Urlaubsreise - erzählt in 24 Episoden

Teil 1: Angekommen am Meer - Das Ferienhaus

Teil 2: Das erste mal am Strand - wo ist der Ausgang?

Teil 3: Schöner Bummel-Sonntag in Loekken

Teil 4: Die erste Prüfung beginnt

Teil 5: Pech und Glück liegen nah beieinander. Wilde Blüten und Strandbuggyspaß

Teil 6: Aktiv werden. Wie kann ich mir beistehen?

Teil 7: Es tut sich was. Hoffnung. War das denn immer schon so? Hochsensiblität.

Teil 8: Die Chancen im Unglück entdecken – Entscheidung 

Bis morgen,

Ihre Anja Kolberg

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Samstag, 09 Dezember, 2017
Thema: Blog - 2017, 2. Halbjahr, Blog - Dänemark
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