Teil 4: Die erste Prüfung beginnt

Am ersten Montagmorgen unseres dreiwöchigen Urlaubs wurde ich gegen sieben Uhr von seltsamem Krach geweckt und dachte unser Hund würde etwas anstellen. Stand auf. Minu schlief seelenruhig. Ich ging den Geräuschen nach. Unterhalb von uns stand ein riesiges Ferienhaus. Männer bauten darum mit Geklapper und Geschepper ein Gerüst auf. Ein weißer Lieferwagen mit Aufschrift "Tournemester" (Schreinermeister) stand davor. Konnte das wahr sein? Eine Baustelle?

Seit dem zu Hause in Köln ab 2011 jeweils neue Nachbarn die beiden direkten Reihenhäuser neben uns weit über ein Jahr sanierten - nicht zur gleichen Zeit, sondern mit einem Abstand von ca. anderthalb Jahren, bin ich davon richtig geschädigt. Die von 1926 stammenden Häuser wurden komplett erntkernt bzw. zum Teil abgerissen und wieder aufgebaut. Das bedeutete Baulärm von Montag früh um sieben bis Samstag abend. Noch nicht mal sonntags war Ruhe, weil die Inhaber dann aktiv wurden.

Während dessen versuchte ich in meinem Homeoffice zu arbeiten oder sonntags zumindest Ruhe zu finden. Wofür ich anfangs noch gute Lösungen hatte, damit umzugehen, fand ich nachher keine Ruhe mehr.

Es war nur noch schädigender Stress für meine Gesundheit wie ich heute weiß. Ein Teil meiner Konzentrationsprobleme, Erschöpfung und Ausgebrannt sein der letzten Jahre hat meiner Meinung nach genau mit dem Baulärm zu tun. Dauerstress über einen so langen Zeitraum führt zum Ausbrennen der Nebennieren. Das ist nicht so schnell wieder behoben. Kein Spaß für den Körper. Früher hat mir Baulärm nichts ausgemacht. Ich habe es gar nicht so stark wahr genommen wie jetzt. Da hatte ich diese Erfahrung auch noch nicht gemacht.

Seit dieser Erfahrung reagiere ich auf Baulärm, besonders an meinem Wohnort: Mein Herz rast, ich bin innerlich unruhig, mir wird heiß und kalt, der Hals geht zu, die Stimmung in den Keller, meine Nacken- und Rückenmuskulatur verspannt sich und ich kann mich nicht mehr konzentrieren oder mit meiner Aufmerksamkeit bei mir sein, geschweige denn entspannen. Stress pur. Also das Gegenteil von Urlaub und Erholung.

Beruhigende Prognosen stellten wir erst noch an, während wir am ersten Tag noch oberhalb der Baustelle auf dem Balkon frühstückten. Ausgerechnet rechts Richtung Meerblick, unterhalb vom schönen Sitzplatz entstand die Baustelle. Ach, vielleicht muss ja nur die Regenrinne neu gemacht werden oder was am Dach repariert. Das Gerüst sprach jedoch für einen Umfang von mehr als einem Tag. Vielleicht eine Woche?

Ich dachte erstmal: Ich lenke mich ab. Es gibt hier noch so viel zu gucken und vielleicht war das alles ein kurzer Schreck und die Baustelle wieder weg, wenn ich zurück nach Hause komme. Mein Mann hatte Rückenschmerzen und wollte sich ausruhen - ihm machte der Baulärm nichts aus. Ich musste raus. Im Haus kam ich gar nicht zur Ruhe. Also fuhr ich alleine 9 km am Strand mit dem Auto entlang.

Den nächsten Ort konnte ich so gut erreichen. Das Wetter war traumhaft. Ich wollte mir die in Blockhus ebenfalls am Strand stehenden weißen Badehäuschen mal aus der Nähe anschauen.

Herrlich sahen die weißen Würfel vor dieser Kulisse aus.

Die Häuschen sind ganz unterschiedlich eingerichtet. Mal praktisch, mal schnuckelig.

Und in unterschiedlichem Zustand. Manche zeigen Rostspuren, das Holz ist verwittert, in andere möchte man gleich einziehen. :-)

Am Strand hatte ich Urlauber gesehen, die mit Campingstühlen neben dem Auto saßen, etwas tranken, den Ausblick genossen.

Wäre das auch etwas für uns? Falls ich im Haus nicht mehr entspannen könnte, zumindest hier am Strand sitzen und entspannen? Doch woher Campingstühle bekommen? Ich versuchte, mich so gut es ging, während meines Ausflugs abzulenken, mich auf die schöne Natur zu konzentrieren und mir Gutes zu tun.

In einem Supermarkt in Blockhus sah ich einen ähnlichen veganen Brotaufstrich wie ich ihn verwende. Beruhigend, falls ich nicht genug dabei hatte. Für meinen Mann fand ich wieder eine Süßigkeit zum Nachmittagskaffee. Den könnten wir auf der Terrasse bei dem tollen Wetter jetzt genießen!

Als ich zurück kam, war das Gerüst aufgebaut und ein großer Container geliefert worden. Die Handwerker hatten begonnen, das Dach abzureißen. Das sah aus, als würde es mehr als eine Woche dauern. Was tun? Ich versuchte irgendwie die Fassung zu bewahren, doch meine Stimmung sank in den Keller. Ich hatte Sorge, gar keine Ruhe finden zu können. Deswegen waren wir doch hierhin gefahren.

Den Tee versuchte ich in der Sonne zu genießen, während nebenan eine Plane aufs Dach geschlagen wurde. Ein Handwerker mit einem Hilfsarbeiter, der so gar nichts von der Arbeit zu verstehen schien, auch die Sprache nicht, waren die einzigen auf der Baustelle. Mein Mann, selbst Handwerker, fand es hoch interessant, dies zu beobachten. Ich fands furchtbar und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich fühlte mich so in meinem Urlaubsfrieden, meinen Plänen gestört. Was tun?

Ich musste wieder weg. Da das Wetter sonnig war, brach ich zu einem Ausflug an den Strand auf. Ich wollte mit den nackten Beinen durchs Wasser laufen. Etwas, das ich einfach liebe! Hm, tat das gut!

Ich hatte Freude den rasend schnellen Strandläufern zuzusehen, wie sie versuchen, den flachen Wellen davon zulaufen. So putzige winzige Vögel:

Als ich zurück zu unserem Ferienhaus kam, hatten die Handwerker Feierabend. Die vom Wochenende so geschätzte Stille war wieder hergestellt. Ein Segen. War das mit der Baustelle wirklich so schlimm? Doch kaum blickte ich aus dem Fenster dorthin, ging es mir wieder mies. So sah der Sonnenuntergang vom Balkontisch am Montag Abend aus. Zum Glück verdeckt der rechts stehende Nadelbaum den größten Teil der dahinter liegenden Dachflächen.

Ein Teil von mir wollte das alles nicht wahrhaben. Ich bin jetzt (3.12.) beim Korrigieren und Illustrieren des in Dänemark geschriebenen Artikels froh, dass ich vor Ort Schritt für Schritt eine Lösung entwickelte, wie ich mit der Situation umgehen konnte, damit es mir möglichst gut ging. Eine enorme psychische Leistung. Da solche Störungen und Herausforderungen immer wieder im Leben passieren können, war es mir auch wichtig, hier im Blog darüber zu schreiben. Vielleicht finden Sie sich darin wieder und können etwas für sich mitnehmen. Ich brauche es auch als Erinnerung für ein nächstes Mal.

Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich am Donnerstag der ersten Woche dachte: "Die Baustelle ist mir doch wirklich piepegal, wenn wir hier nur wieder rauskommen." Zum Ende des Urlaubs habe ich begriffen, was ich davon hatte, dass diese Baustelle und noch viel mehr Abenteuer dort oben passiert sind. Daran möchte ich Sie teilhaben lassen - und an der Schönheit der Natur und dass in jedem Grauen auch ein Geschenk für uns liegt.

Hier geht es weiter mit Teil 5: Pech und Glück liegen nah beieinander. Wilde Blüten und Strandbuggyspaß 

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Bisher erschienen:

Dänemark - eine besondere Urlaubsreise - erzählt in 24 Episoden

Teil 1: Angekommen am Meer - Das Ferienhaus

Teil 2: Das erste mal am Strand - wo ist der Ausgang?

Teil 3: Schöner Bummel-Sonntag in Loekken 

Bis morgen,

Ihre Anja Kolberg

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Montag, 04 Dezember, 2017
Thema: Blog - 2017, 2. Halbjahr, Blog - Dänemark, Blog - Dunkle Tage
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